Die fortschreitendende Urbanisierung ist ein weltweit zu beobachtendes Phänomen und führt in den meisten Fällen zu einer messbaren Veränderung der natürlichen Lebensräume von verschiedenen Arten. Bei der erfolgreichen Anpassung von Wildtieren an städtische Bedingungen spielen bestimmte Verhaltensmerkmale eine mutmaßlich wichtige Rolle. Individuen, die in städtischen Umgebungen überleben, zeigen andere Verhaltensweisen als ihre nicht-städtischen Artgenossen.

Eine aktuelle Studie beschäftigt sich nun mit der Frage, welche Auswirkungen die Urbanisierung auf das Verhalten von Fledermäusen hat. Die Autoren dieser Studie untersuchten und verglichen mittels automatisierter Echtzeit-Aufnahmen das akustische Rufverhalten von freilebenden Fledermäusen auf ländlichen (Havelland, Brandenburg) und städtischen (Berlin-Mitte) Grünflächen, um mögliche Auswirkungen der Urbanisierung auf die Lautäußerungen von Fledermäusen zu bewerten. Am Beispiel der Zwergfledermaus Pipistrellus pipistrellus präsentieren die Autoren Daten zur Variabilität von Echoortungs- und bestimmten Soziallautrufen. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Rufe aus städtischen Gebieten im Vergleich zu Rufen aus ländlichen Gebieten deutlich höhere End- und Peakfrequenzen aufweisen. Ein ähnliches Phänomen ist aus der Vogelwelt bereits bekannt: bestimmte Singvogelarten sind ebenfalls in der Lage, durch Veränderungen ihrer Gesänge den veränderten akustischen Bedingungen in der Stadt zu trotzen. In der aktuellen Studie zum Verhalten von Fledermäusen scheinen die im städtischen Raum aufgenommenen Sozialrufe darüber hinaus jedoch auch strukturell komplexer zu sein, da sie sich mit Blick auf die Art und Anzahl der einzelnen Rufkomponenten deutlich von den im ländlichen Raum aufgenommenen Sozialrufen unterscheiden. Der Großteil der Sozialrufe der „Stadtfledermäuse“ wurde vermutlich auch in einem anderen Kontext erzeugt im Vergleich zu den Sozialrufen der „Landfledermäuse“: Während erstere über ihre gesamte Aktivitätsperiode von Mai bis Oktober hinweg eher allein jagten und dabei ihre Nahrung gegenüber anderen ebenfalls in der Stadt heimischen Arten (Breitflügelfledermaus, Großer Abendsegler) mittels ihrer Soziallautäußerungen verteidigen, wurden die Soziallaute der „Landfledermäuse“ offenbar eher in Anwesenheit von Artgenossen und vorrangig zu Zeiten erhöhter Insektenverfügbarkeit in den Sommermonaten Juli bis September ausgesendet, was eher auf ein nur zu bestimmten Zeiten auftretendes Gruppenjagdverhalten hindeutet.

Die Ergebnisse der Studie belegen, dass die Zwergfledermaus eine große Plastizität mit Blick auf ihr akustisches Verhalten besitzt, welche es ihr offensichtlich ermöglicht, die durch die städtischen Bedingungen vorherrschenden Einschränkungen (insbes. Lärm) zu kompensieren und ihr so große Vorteile bei der Besiedlung des städtischen Raums verschafft; so ist es auch nicht verwunderlich, dass diese Art bundesweit eine der häufigsten im urbanen Raum ist. Die Autoren schlussfolgern, dass der Grad der Plastizität des akustischen Verhaltens eine ausschlaggebende Rolle für das Maß der allgemeinen ökologischen Anpassung insektenfressender Fledermäuse an städtische Lebensräume spielt.

Ein wesentliches Ergebnis der Studie: Die jahreszeitliche Verteilung der Sozialrufe (Typ D) der Zwergfledermaus zeigt über die gesamte Aktivitätsperiode antagonistische Rufe zur Verteidigung der limitierten Ressourcen im urbanen Raum (A), die vorrangig von jagenden Einzelindividuen stammen (B), während Sozialrufe diesen Typs im ländlichen Raum hauptsächlich zu Zeiten erhöhter Nahrungsverfügbarkeit während der Monate Juli-September aufgezeichnet wurden, die von meist mehreren gleichzeitig in der Gruppe jagenden Tieren stammen.

Starik, N., & Göttert, T. (2022). Bats adjust echolocation and social call design as a response to urban environments. Frontiers in Ecology and Evolution, 10:939408.
doi: 10.3389/fevo.2022.939408

„Stadtfledermäuse“ rufen anders als „Landfledermäuse“