Am 19.06.21 fand in den beschaulichen Gewölben in der Zitadelle Spandau (Berlin) die erste Sommertagung der Deutschen Fledermauswarte in Zusammenarbeit mit dem Berliner Artenschutzteam (BAT e.V.) und der AG Angewandte Zoologie und Naturschutz der Universität Greifswald statt. Die Tagung wurde als Hybridveranstaltung durchgeführt, d.h. 50 Fledermausfreundinnen und -freunde trafen sich vor Ort (unter Einhaltung der gültigen Hygienebestimmungen) und ~ 100 Teilnehmer konnten die Vorträge online verfolgen. Nach der Veranstaltung gab es für die Vor-Ort-Teilnehmer noch ein kleines Grillfest mit mitternächtlichem Bad im Burggraben der Zitadelle. Es war eine schöne Tagung mit tollen Beiträgen in freundlicher Atmosphäre, die uns in Erinnerung bleiben wird. Wir möchten uns vor allem bei allen Referenten bedanken, aber auch bei den zahlreichen Teilnehmern, dem Organisationsteam und der Verwaltung der Zitadelle, die uns großzügig unterstützte.

Aufgrund der großen Nachfrage im Nachgang der Tagung stellen wir hier die Inhalte der einzelnen Vorträge bereit. In Absprache mit den Referenten finden Sie nachfolgend entweder den Live-Mittschnitt als Youtube-Video, die Vortragsfolien oder eine schriftliche Zusammenfassung der Vorträge.

Mit freundlichen Grüßen

das Organisationsteam: Marcus Fritze, Nicole Starik, Jörg Harder, Brigitte Kaltofen, Robert Henning, Mirjam Knörnschild, Florian Gloza-Rausch, sowie weitere Mitglieder der Fledermauswarte, des BAT e.V. und der Universität Greifswald

Block I: Digitalisierung und Analyse von Zähl- und Beringungsdaten

Marcus Fritze, Alexander Scheuerlein, Gerald Kerth: Bedrohte Daten von bedrohten Arten (Video)

Link: https://www.youtube.com/watch?v=sAxAHGlfqtM&t=16s

Alexander Scheuerlein, Marcus Fritze, Gerald Kerth: Überlebensraten von Fledermäusen anhand von Beringungsdaten (Zusammenfassung)

Seit den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts werden ausgehend von Eisentraut in Berlin Fledermäuse mit Metallringen individuell markiert und systematisch ihre Quartiere kontrolliert. Vor allem die Fledermausberingungszentrale in Dresden (neue Bundesländer) aber auch das Museum Alexander König in Bonn (alte Bundesländer) haben die Aktivitäten der einzelnen Beringer koordiniert und archiviert. Hier soll ein kurzer Überblick über die ausgesprochen dynamisch verlaufende Entwicklung der Ringdaten-Analyse gegeben werden. Im Rahmen dieser Ausführungen soll dargestellt werden daß das Expertenwissen der Beringer vor Ort unabdinglich ist um präzise Schätzer von Populationsparametern wie Überlebensrate und Reproduktionsrate leisten zu können. In den 40er Jahren entwickelten die Bio Statistiker Jolly, Seber und Cormack ohne voneinander zu wissen, die theoretischen Grundlagen der simultanen Schätzung von Überlebens- und Wiederfangraten. Zuvor wurden nicht wiedergefangene Tiere als tot erachtet. Wiederfänge zu einem späteren Zeitpunkt wurden ignoriert. Vor allem durch clevere Parametrisierung konnten präzise Schätzungen der Überlebensrate unter bestimmten Annahmen erreicht werden falls mindestens 3 Zeitpunkte der Kontrollen vorlagen. Allerdings war das Verfahren zu der Zeit rechnerisch recht aufwändig, so daß nur wenige die Methode nutzten. Erst 1992 kam mit einer Veröffentlichung von Lebreton et al in Ecological Monographs und der Entwicklung der software Programme von Mark und mSurge der Stein der „Mark Recapture“ Analysen ins Rollen, und die Cormack Jolly Seber Methoden setzten sich weltweit durch. Zusammen mit den Mark Recapture Analysen wurden auch die modernen statistische Methoden der „model selection“ mit Hilfe des AIC Kriterions in den allgemeine Methodenkanon der Naturschützer und der Naturmanager überführt. Mit Hilfe des AIC Kriterions, einer Maßzahl aus der Informationstechnologie, werden diejenigen Modelle selektiert, welche mit möglichst wenig Parametern möglichst viel der Varianz in den Daten erklären. Vor allem bei diesem Prozess der Modell Selektion ist das Vorwissen der Beringer essentiel, um biologisch relevante (und später interpretierbare) Parameter in die Modelle einfließen zu lassen. Neuere Entwicklungen, vor allem der Rechenkapazitäten seit der Jahrtausendwende, ermöglichen es immer mehr Modelle mit Bayes’scher Statistik zu fahren. Mit diesen Modellen können komplexere Modelle mit hierarchischen Variablenstrukturen gerechnet werden. So können die recht komplexen Koloniestrukturen von Waldfledermäusen (zB M.bechsteinii und M. nattererii), in Modelle integriert werden, welche sowohl Überlebensraten als auch Reproduktionsraten schätzen.

Hinweis: Die Arbeit enthält unveröffentlichte, vorläufige Daten und wird nach Veröffentlichung entsprechend kommunziert.

Reinhard Klenke, Ulrich Zöphel: Populationstrends und Demographie von Fledermausarten auf der Basis von Beringungsdaten (PDF)

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Block II: Lichtverschmutzung

Florian Gloza-Rausch: Fledermäuse und Licht – Beispiele aus der Naturschutzpraxis (Video)

link: https://www.youtube.com/watch?v=x3aLMJwiA-Y&t=116s

Jörg Harder: Fledermausquartier Zitadelle Spandau mit Hinweisen zur künstlichen Beleuchtung (Video)

link: https://www.youtube.com/watch?v=lECGNIS7kkk&t=2s

Block III: Bioakustik

Nicole Starik: Wissenswertes zum Einsatz von OpenSource Technologien für das akustische Monitoring von Fledermäusen (Video)

link: https://www.youtube.com/watch?v=ai3ets3wo74&t=2s

Eric Jansen, V. Hommersen, M. van Oene, E. Korsten, H. Limpens, M.Schillemans, T. v.d. Meij, J. van Zweden: Zum Fledermausmonitoring in den Niederlanden und insbesondere zu akustischen Transektzählungen (Video)

link: https://www.youtube.com/watch?v=NQgyrkTpk60&t=22s

Charlotte Roemer, Christian Kerbiriou, Jean-François Julien & Yves Bas: Bürger und Maschinen überwachen Fledermäuse gemeinsam: Lektionen aus 15 Jahren akustisches Monitoring in Frankreich (Video)

link: https://www.youtube.com/watch?v=Uz5cTeV78uU&t=9s

Martin Koch: Internet der Fledermäuse (PDF)

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Block IV: Telemetrie

Simon Ripperger: Drahtlose Sensornetze geben neue Einblicke ins Sozialleben von Fledermäusen (Video)

link: https://www.youtube.com/watch?v=k7mWAWHjfks

Ralf Hurst: Telemetrie 4.0 (Video)

link: https://www.youtube.com/watch?v=22Ia6hVX4Ms

Manuel Roeleke: Alte Fragen, moderne Methoden: Neue Einblicke durch GPS und co (PDF)

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Block V: Lichtschranken

Karl Kugelschafter: Bestandsmonitoring mittels Fledermauslichtschrankensystemen (Video)

link: https://www.youtube.com/watch?v=D3-fwJ9zFrk

Gabriella Krivek, Gerald Kerth, Jaap van Schaik: Stört der Blitz? und automatische Arterkennung von Kamerafallenbildern (Zusammenfassung)

Zusammenfassung: An Winterquartieren können Kamerafallen mit weißem Blitzlicht eine effiziente alternative Methode für das Monitoring bedrohter Fledermausarten bieten, aber der mögliche negative Einfluss des weißen Blitzlichts auf das Fledermausverhalten ist unbekannt. In einem 16-wöchigen Experiment untersuchten wir die Auswirkung von weißem Blitzlicht an vier Winterquartieren, die mit einer durch eine Infrarot-Lichtschranke ausgelösten Kamerafalle, einer Infrarot-Videokamera und einem akustischen Rekorder ausgestattet sind. An jedem Standort wurde der weiße Kamerafallenblitz jede zweite Woche ausgeschaltet. Im Einzelnen quantifizierten wir, ob das Blitzlicht 1) die nächtlichen Fledermausdurchflüge, 2) die Flugrichtung der einfliegenden Fledermäuse und 3) die Latenzzeit des ersten Echoortungsrufs nach dem Auslösen der Kamerafalle beeinflusste.  Zusätzlich wurde der mögliche Einfluss von Störfaktoren wie Wetter und soziale Interaktionen quantifiziert und in die Analyse einbezogen. Insgesamt hatte der weiße Blitz keinen Einfluss auf die kurz- oder langfristige Fledermausaktivität, die Flugrichtung oder das Echoortungsverhalten. Eine Abnahme der nächtlichen Fledermausaktivität wurde nur mit zunehmendem Anteil der Regen-Stunden beobachtet. Außerdem wurde die Flugrichtung durch die Anwesenheit anderer Fledermäuse beeinflusst, wahrscheinlich aufgrund von Verfolgungs- und Vermeidungsverhalten. Unsere Ergebnisse unterstreichen das Potenzial von Kamerafallen mit weißem Blitz, der durch Infrarot-Lichtschranken ausgelöst wird, als minimalinvasive Methode für das langfristige Monitoring von Fledermauspopulationen und zur Untersuchung der artspezifischen Phänologie. Solche automatisierten Überwachungstechnologien können unser Verständnis der langfristigen Populationsdynamik über einen weiten Bereich von räumlich-zeitlichen Skalen und Taxa verbessern und folglich zu datengesteuertem Wildtierschutz und -management beitragen.

Hinweis: Die Arbeit befindet sich momentan in der Begutachtung und wird nach Veröffentlichung entsprechend kommunziert.

Block VI: Wissenstransfer und Öffentlichkeitsarbeit

Tanja Straka: Kommunikationsstrategien im Fledermausschutz (PDF)

Kommunikationsstrategien-im-Fledermausschutz_Straka

Marcus Fritze, Bernd Ohlendorf, Kathleen Kuhring, Falko Meyer, et al.: Zu Publikationsmedien in Fledermausschutz und -forschung und Digitalisierung des Nyctalus (Video)

link: https://www.youtube.com/watch?v=mvpU0a_gSio

Beiträge der Sommertagung in der Zitadelle Spandau